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veröffentlicht am 7. Februar 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten
Beim Kauf eines Unternehmens erwirbt der Unternehmenskäufer immer ein Stück weit die „Katze im Sack". Denn das Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer ist typischerweise davon geprägt, dass ein Informationsvorsprung des Verkäufers gegenüber Käufer besteht, der auch durch Informationsmemoranda, Management-Interviews, Due Diligence etc. nicht vollständig ausgeglichen werden kann. Die Rechtsprechung gleicht dieses Gefälle aus, indem sie dem Verkäufer Offenlegungspflichten auferlegt. Um die Erfüllung dieser Pflichten sicherzustellen und Haftungsrisiken zu vermeiden, sollte der sich Verkäufer rechtzeitig in den „Transaktionsmodus" begeben.
Nach dem Grundsatz der Privatautonomie hat sich der Käufer selbst über das zu erwerbende Unternehmen zu informieren und zu entscheiden, ob der Vertrag zu seinem Vorteil ist, oder nicht. Allerdings wird dieser Grundsatz nach der Rechtsprechung dadurch eingeschränkt, dass bei Vertragsverhandlungen für jeden Vertragspartner die Pflicht besteht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann (BGH VII ZR 192/94). Demzufolge kann der Verkäufer im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen dazu verpflichtet sein, dem Kaufinteressenten bestimmte Umstände ungefragt offenzulegen. Im Rahmen eines Unternehmenskaufs gilt insoweit eine gesteigerte Aufklärungspflicht des Verkäufers, wobei an die anzuwendende Sorgfalt ein strenger Maßstab angelegt wird (BGH VIII ZR 32/2000).
Nach der vorgenannten Formel setzt eine Offenlegungspflicht das kumulative Vorliegen mehrerer Voraussetzungen voraus, durch die der Bereich, in dem Aufklärungspflichten des Verkäufers definiert, aber auch eingeengt wird.
Erforderlich ist zunächst ein Umstand, also einen äußerer, objektiver Sachverhalt, von dem der Verkäufer Kenntnis hat. Teilweise werden aber auch solche Umstände als offenlegungspflichtig angesehen, die der Verkäufer zwar nicht positiv kannte, die er aber im Rahmen des Verkaufsprozesses hätte kennen müssen. Der Verkäufer kann sich also nicht dadurch seiner Offenlegungspflicht entziehen, dass er die Augen vor solch relevanten Umständen verschließt.
Ferner setzt eine Offenlegungspflicht voraus, dass der Umstand dazu geeignet sein muss, den vom Käufer verfolgten Vertragszweck zu vereiteln. Wenn also ein Umstand gegeben ist, der die für den Verkäufer erkennbaren strategische Ziele unmöglich machen oder die für den Käufer besonderen Eigenschaften des zu verkaufenden Unternehmens unterminieren würde, ist das offenzulegen. Um das einschätzen zu können, hat der Verkäufer sich ein Bild davon zu verschaffen, welche Zwecke der Käufer mit dem Akquisitionsvorhaben verfolgt.
Zudem ist ein Umstand nur dann offenzulegen, wenn er für den Kaufentschluss des Käufers von wesentlicher Bedeutung ist. Es muss also – für den Verkäufer erkennbar – ein Risiko vorliegen, von dem die Entscheidung des Käufers für oder wider den Erwerb des Unternehmens zu den gegebenen Konditionen abhängt. Sofern ein Thema für einen Kaufinteressenten im Rahmen der Entscheidungsfindung erkennbar nicht relevant ist, braucht es auch der Verkäufer nicht zu thematisieren.
Schließlich muss der Kaufinteressent nach der Verkehrsauffassung erwarten können, dass er über den relevanten Umstand tatsächlich aufgeklärt wird. Das ist nicht der Fall bei bloßen Einschätzungen, Wertungen oder Analysen des Verkäufers, etwa im Hinblick auf die zukünftigen Ertragsaussichten des zu verkaufenden Unternehmens. Der Verkäufer muss den Kaufinteressenten nicht über das Verhalten anderer Interessenten im Rahmen eines strukturierten Verkaufsprozesses informieren. Er darf auch seine Einschätzung von Markt und Wettbewerb für sich behalten.
Insgesamt besteht für Verkäufer aufgrund der vorstehend skizzierten, wenig trennscharfen Kriterien ein großes Maß an Rechtsunsicherheit. Ein großer Teil von Rechtsstreitigkeiten, die aus der behaupteten Verletzung von Offenlegungspflichten hervorgehen, werden entweder vorgerichtlich durch Einigung (Vergleich) erledigt, oder vor privaten Schiedsgerichten verhandelt und ggfs. entschieden. Es gibt nur wenige veröffentliche Entscheidungen von staatlichen Gerichten zu Unternehmenskäufen und auch zu Grundstücksgeschäften, diese Entscheidungen sind häufig durch besonderen Sachverhalt und Prozessverlauf geprägt und daher von geringer allgemeiner Aussagekraft. Aufgrund der hohen Rechtsunsicherheit sollte der Verkäufer im Zweifel immer von einer Offenlegungspflicht ausgehen.
Was die Art und Weise der Offenlegung betrifft, lassen sich aus der Rechtsprechung deutliche Handlungsempfehlungen ableiten: die Offenlegung hat im Regelfall durch eine mündliche oder schriftliche Erläuterung zu erfolgen, und kann nur im Ausnahmefall durch die Übergabe von Unterlagen ersetzt werden. Denn – so der Bundesgerichtshof – mit der Übergabe von Unterlagen erfüllt der Unternehmensverkäufer nur dann seine Offenlegungspflicht, wenn er erwarten kann, dass der Kaufinteressent diese Unterlagen gezielt unter dem fraglichen Gesichtspunkt durchsehen wird. Für die Due Diligence bedeutet das, dass der Virtuelle Datenraum kein einziger großer Korb ist, wo alles an jeder beliebigen Stelle liegen kann. Vielmehr gelten falsch eingeordnete, offenlegungspflichtige Informationen sind als nicht offengelegt. Informationen sind im Datenraum so zu strukturieren, dass sie dort einsortiert sind, wo sie der Käufer bzw. seine Berater suchen oder erwarten würden. Im Zweifel sollte eine separate Offenlegung vorgenommen und dokumentiert werden, etwa im Rahmen eines Disclosure Letter.
Für die Praxis empfiehlt es sich, mit der Rechtsunsicherheit professionell umzugehen und zwecks Risikovermeidung geeignete Maßnahmen zu implementieren, die folgendes beinhalten könnten:
Kai Graf von der Recke, LL.M. (Boston Univ.)
Rechtsanwalt, Attorney at Law (New York), Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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